Solarpaneele gibt es auch in Grün, Rot oder gemustert. Das könnte sie bei Architekten beliebter machen


Die Fassade des Mehrparteienhauses am Nordrand von Schlieren bei Zürich fällt auf: Sie schimmert in einem warmen Goldton. Die elegante Aussenverkleidung des 2023 fertiggestellten Gebäudes ist nicht nur Zier, sondern erzeugt auch Strom. Denn bei den Fassadenelementen handelt es sich um farbige Photovoltaikmodule.
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Goldfarbene oder anders kolorierte Solarpaneele sind bislang nur äusserst selten zu sehen. Das Bild dominieren die schwarzen, dunkelgrauen oder anthrazitfarbenen Standardmodule.
Dabei biete Farbe in der Photovoltaik eine grosse Chance, meint Professor Stephen Wittkopf vom Institut für Bauingenieurwesen der Hochschule Luzern. «Farbige Module erweitern die Möglichkeiten, Solaranlagen ästhetisch ansprechend in Gebäude zu integrieren, vor allem im Neubau. Damit können sie die Akzeptanz der Photovoltaik in der Bevölkerung steigern», sagt der Wissenschafter.
Doch so hübsch farbige Solarpaneele auch sein können – sie haben einen entscheidenden Nachteil: In Sachen Effizienz kann noch kein farbiges Modell mit den unansehnlichen dunklen Paneelen mithalten.
Farbige Module interessieren Architekten und DesignerMehrere Unternehmen stellen heute farbige Module her, auch in der Schweiz. Die Farbgebung sorgt dafür, dass die auf dem Dach oder an der Fassade installierten Anlagen nicht mehr als Fremdkörper empfunden werden – oder zumindest weniger stark.
Das Interesse von Architekten, Designern und Planern an solchen Modulen sei in letzter Zeit deutlich gestiegen, sagt Wittkopf. «Sie sehen das technische Produkt Solarmodul mehr und mehr als ein Gestaltungselement.»
Auch bei denkmalgeschützten Gebäuden können farbige Module laut Wittkopf eine sinnvolle Lösung sein. Denn wenn ein Eigentümer eine Photovoltaikanlage auf einem Baudenkmal installieren will, muss das die zuständige Denkmalpflegebehörde genehmigen – das gilt für die Schweiz wie für Deutschland.
Die Anforderungen unterscheiden sich im Detail von Kanton zu Kanton, von Bundesland zu Bundesland. Im Grundsatz gilt aber überall: Die Behörden bewilligen eine Anlage nur dann, wenn sie das Erscheinungsbild nicht erheblich beeinträchtigt. Eine Färbung in Terrakotta-, Schiefer-, Ziegel- oder Brauntönen kann helfen, diese Vorgabe zu erfüllen.
Farbe bringt immer einen Effizienzverlust mit sichFür die Farbigkeit müssen die Eigentümer allerdings einen geringeren Stromertrag in Kauf nehmen. Photovoltaikmodule lassen sich auf zweierlei Weise einfärben, und die beiden Verfahren haben gemein, dass sie die Effizienz der Module mindern – allerdings in unterschiedlichem Masse.
Beim ersten Verfahren werden auf die Innenseite des Glases, das die Solarzellen vor der Witterung schützt, Farbpigmente aufgetragen. Dadurch gelangt weniger Licht bis zu den darunterliegenden Zellen. Um wie viel die Effizienz sinkt, hängt vor allem davon ab, wie viel Farbe nötig ist, um das Schwarz oder Dunkelgrau der Solarzellen zu übertünchen.
«Je heller das Modul sein soll, desto dicker muss die Farbschicht sein – und desto geringer ist der Wirkungsgrad», erläutert Wittkopf. Ein tiefbraunes Modul arbeitet daher effizienter als ein himmelblaues. Je nach Farbe liegen die Leistungseinbussen bei etwa 15 bis 50 Prozent.
Aufgetragen werden die Farbpigmente per Tintenstrahl- oder Walzendruck. Die Farbe wird dann in einem Ofen in das Glas gebrannt, um sie widerstandsfähig zu machen. Das Druckverfahren verhilft den Herstellern zu viel Flexibilität bei der Farbgestaltung. Doch jeder gedruckte Punkt wirft einen Schatten auf die Solarzelle und reduziert ihre Leistung.
Dafür lassen sich mit diesem Verfahren auch mehrfarbige, gemusterte Module fertigen. Sogar stromerzeugende Schrift- oder Werbetafeln wären damit möglich – allerdings zu sehr hohen Kosten. Allerdings sind bei einer geringen Zahl gefertigter Module die Druckkosten pro Modul sehr hoch.
Auch eine Reflexionsschicht kann Farbigkeit erzeugenFarbigkeit lässt sich auch noch auf anderem Wege erzielen: Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau hat eine Reflexionsschicht für das Frontglas entwickelt. Diese strahlt einen Teil des einfallenden Lichtspektrums zurück, und dadurch stellt sich die gewünschte Farbwirkung ein.
«Soll ein Modul zum Beispiel in einem bestimmten Rotton erscheinen, wirft die Schicht lediglich die Strahlung zurück, die für diesen Eindruck benötigt wird. Der Rest trifft ungehindert auf die Solarzellen», erläutert Jan-Bleicke Eggers, Teamleiter solare Gebäudehüllen am Fraunhofer ISE. Allerdings lassen sich auf diese Weise nur einfarbige Module gestalten.
Dafür sind die Leistungseinbussen viel geringer als beim Farbdruck. Nach Angaben von Eggers weisen die von den Fraunhofer-Forschern entwickelten Module eine nur um zehn Prozent geringere Effizienz auf als die Module mit Standard-Photovoltaik.
Solarziegel sind eine Option, aber sie liefern weniger StromSoll die Anlage auf dem Dach installiert werden, haben Hausbesitzer noch eine weitere Option: Ziegel, auf die farbige Minimodule montiert sind. «Einzelne Solarziegel sind oft dann sinnvoll, wenn die oberste Priorität lautet, das Erscheinungsbild des Gebäudes so wenig wie möglich zu verändern», sagt Eggers. Ein Nachteil ist allerdings, dass sie, bezogen auf die Fläche, noch weniger Strom liefern als grössere farbige Module.
Aus Sicherheitsgründen dürften Solarzellen nicht bis ganz an den Rand der Fläche reichen, auf die sie montiert seien, erklärt der Fraunhofer-Forscher. Da Ziegel nur eine kleine Fläche haben, nimmt der nicht nutzbare Rand vergleichsweise viel Platz ein. Entsprechend gering fällt der Stromertrag aus.
Hinzu kommt laut Eggers, dass es mehr Arbeit bedeutet, anstelle weniger grosser Module viele kleine Dachziegel zu verlegen. Damit steigen die Installationskosten. Auch werden mehr elektrische Stecker benötigt. «Das erhöht die Zahl potenzieller Fehlerquellen», sagt er.
Noch ist das Angebot an farbigen Modulen und Solarziegeln überschaubar. Zudem sind die Produkte deutlich teurer als die schwarzen Standardpaneele. Ein Grund dafür ist, dass die gefertigten Stückzahlen sehr klein sind. Mit wachsender Nachfrage dürften aber die Hersteller die Produktionskapazitäten erhöhen – dann sinken die Preise.
Dennoch werden Bauherren und Eigentümer für die Farbigkeit auch künftig einen Aufpreis zahlen müssen. Schon allein deshalb, weil der Auftrag der Farbe oder der Reflexionsschicht zusätzliche Kosten verursacht. Wie viele Hausbesitzer bereit sein werden, für den ästhetischen Gewinn höhere Investitionskosten zu tragen sowie einen geringeren Stromertrag in Kauf zu nehmen, wird sich zeigen. Doch rein technisch betrachtet, sind farbige Solarfassaden heute eine echte Alternative.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»
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