Der Ausbau der Solar- und der Windkraft beschleunigt sich in den Schwellenländern – im Westen sind die Aussichten durchwachsen

Neue Daten zeigen: Entwicklungsländer setzen vermehrt auf die Erneuerbaren, um Strom zu produzieren. China dominiert, Indien holt auf, die USA ziehen sich zurück. Dabei schlägt die Sonnenenergie alle anderen grünen Energietechnologien.
Prashanth Vishwanathan / Bloomberg / Getty
Die erneuerbaren Energien, allen voran die Solar- und die Windkraft, sind der Regierung von US-Präsident Donald Trump ein Dorn im Auge. Die Branche kämpft zudem mit Abhängigkeiten in den Lieferketten, Kostenerhöhungen und Problemen beim Netzausbau. Gleichzeitig zeigen neue Daten: Weltweit nimmt der Anteil grüner Stromquellen weiterhin zu – wenn auch weniger deutlich als noch im vergangenen Jahr erwartet.
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Die Internationale Energieagentur erwartet ein Wachstum der Kapazität erneuerbarer Energien von rund 4600 Gigawatt auf insgesamt rund 9000 Gigawatt bis 2030. Das sei ungefähr so viel wie die gesamte Stromkapazität von China, der EU und Japan zusammen, sagte die Agentur vergangene Woche. Die Erneuerbaren würden damit im Jahr 2030 insgesamt fast 30 Prozent der weltweiten Stromversorgung produzieren.
Neben der IEA haben auch die Analysten der englischen Denkfabrik Ember neue Daten veröffentlicht. Die NZZ hat sich mit drei Aspekten der jüngsten Zahlen beschäftigt, die nicht nur etwas über den künftigen Strommix, sondern auch über die geopolitischen Verschiebungen im Rahmen der Energiewende erzählen.
1. Schwellenländer entdecken die Wind- und die SolarkraftLange war der Ausbau der erneuerbaren Energie eine Entwicklung, die sich hauptsächlich in den Industriestaaten, in Europa und den USA, sowie in China beobachten liess.
Das ändert sich nun: Niedrige Kosten und stärkere politische Unterstützung förderten deren schnelles Wachstum auch in den anderen Schwellenländern Asiens, den Wirtschaftsmächten des Nahen Ostens und den Entwicklungsländern Afrikas, schreibt die IEA.
Dabei sticht ein Land besonders hervor. Indien ist laut dem Bericht «auf dem besten Weg, nach China zum zweitgrössten Wachstumsmarkt für erneuerbare Energien weltweit zu werden». Die IEA-Analysten sagen, das Land werde sein «ehrgeiziges Ziel bis 2030 voraussichtlich problemlos erreichen». Indien hat sich verpflichtet, bis dahin den Stromanteil sauberer Energiequellen auf 500 Gigawatt auszubauen.
Diese Entwicklung ist auch deswegen interessant, weil die IEA heuer die Wachstumsprognose gegenüber dem Vorjahr leicht nach unten korrigieren musste. Der Grund dafür liegt bei den neuen politischen Rahmenbedingungen in den USA und China.
In den USA hat die Trump-Regierung Steuervergünstigungen für Erneuerbare abgeschafft und Regeln eingeführt, die den Ausbau bremsen. Die IEA hat ihre Wachstumsprognosen für den amerikanischen Markt deswegen gegenüber dem Vorjahr um fast 50 Prozent nach unten korrigiert. Auch Peking hat das Subventionsregime für erneuerbare Energien jüngst angepasst, was Projekte für Investoren weniger lukrativ macht und laut Analysten die Wachstumsprognosen drückt.
Das schnelle Wachstum in anderen Regionen, insbesondere in Indien, Europa und den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern, mache den Rückgang aber fast wieder wett, schreibt die IEA.
Dort wurden die Wachstumsaussichten nämlich unter anderem aufgrund ehrgeiziger neuer politischer Zielvorgaben, schnellerer Genehmigungsverfahren und des zunehmenden Einsatzes von Solaranlagen auf Dächern nach oben korrigiert.
2. Die Solarenergie feiert weltweit ErfolgeDer Anteil der erneuerbaren Energien am weltweiten Strommix steigt in den kommenden Jahren vor allem wegen der Solarkraft. Keine grüne Energiequelle wächst schneller, und das in vielen Ländern.
«Die Solarenergie wird in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich rund 80 Prozent des weltweiten Zuwachses an erneuerbaren Energien ausmachen», sagte Fatih Birol, der Exekutivdirektor der IEA.
Dabei zeichnet sich eine neue und geopolitisch relevante Entwicklung ab. Denn neben dem Wachstum in etablierten Märkten bauen auch Länder wie Saudiarabien, Pakistan und mehrere südostasiatische Länder zunehmend die Solarenergie aus.
Die Windenergie kämpft derweil mit Problemen in der Lieferkette, steigenden Kosten und Verzögerungen bei den Genehmigungen. Trotzdem erwartet die IEA, dass sich die weltweite Kapazität bis 2030 fast verdoppeln wird, gestützt durch den weiteren Ausbau in China und der EU.
Wie stark die Solarkraft wächst, lässt sich anhand einer neuen Datenauswertung von Ember zeigen. Laut ihr sprang der Solaranteil am weltweiten Strommix im ersten Halbjahr dieses Jahres von knapp 7 Prozent auf knapp 9 Prozent.
Das hat vor allem mit China zu tun. Das Land trug mehr als die Hälfte zum weltweiten Wachstum bei. Darauf folgten die USA mit 14 Prozent, die EU mit 12 Prozent, Indien mit knapp 6 Prozent und Brasilien mit 3 Prozent (der Rest der Welt kam insgesamt auf nur 9 Prozent).
3. Grüne Technologien bremsen die fossilen BrennstoffeDie Höhenflüge der Solarenergie treiben eine weitere Entwicklung voran, die laut den Ember-Analysten «die ersten Anzeichen für einen entscheidenden Wendepunkt» sind.
Denn zusammen mit der Windkraft nahm die Solarenergie so schnell zu, dass sie in diesem Jahr den Zuwachs des weltweiten Strombedarf decken und die fossilen Brennstoffe in Schach halten konnte. Deren Produktion ging in China und Indien sogar leicht zurück.
Die Daten zeigen auch hier, wie die Solarenergie dominiert. Zwischen Januar und Juli dieses Jahres deckte allein der Strom aus Solarkraftanlagen über 80 Prozent des Anstiegs der weltweiten Nachfrage ab.
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien kommen jedoch auch neue und teilweise akute Herausforderungen auf Regierungen und Unternehmen zu.
Die einseitige Abhängigkeit von China wirft Sicherheitsfragen auf, etwa was die Produktion von Solarpanels, Windturbinen und Batterien, aber auch die dafür benötigten strategischen Rohstoffe betrifft.
China hat gemäss einer separaten Analyse von Ember, die diese Woche veröffentlicht wurde, allein im August saubere Energietechnologien im Wert von rund 20 Milliarden Dollar exportiert – ein Rekordwert. Treiber hinter dieser Entwicklung waren die Ausfuhren von Elektroautos und Batterien.
Die Milliarden zeigten deutlich, wie rasant die Nachfrage nach den Technologien wachse, schreiben die Ember-Analysten. Denn die Preise für viele der Technologien sind in den vergangenen zehn Jahren stark gefallen. Solarmodule kosten heute gemäss der Analyse 80 Prozent weniger, auch Batterietechnologien werden immer billiger.
Gleichzeitig müssen die Stromnetze schnellstmöglich modernisiert und es muss in Speichertechnologien investiert werden. Sonst könnten die zusätzlichen Mengen an erneuerbarem Strom zu Netzausfällen führen und die Energieversorgung bedrohen. «Der rasante Anstieg variabler erneuerbarer Energien setzt die Stromnetze zunehmend unter Druck», sagte auch der IEA-Chef Birol am Dienstag warnend.
Francis Mascarenhas / Reuters
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